Wieland: „Das Energieangebot muss verbessert werden“ Vortragsabend in Hachenburg

Scheinbar unentwegt diskutierte Volker Wieland mit Studierenden der Hochschule der Bundesbank auch noch lange nach seinem Vortrag über aktuelle wirtschaftliche Probleme und mögliche Lösungsansätze. Man spürte es, es bereitete ihm Freude – und den ihn umringenden Nachwuchs-Notenbankern erst recht.

Knapp drei Stunden zuvor hatte der Wirtschaftswissenschaftler seine Ausführungen zum Themendreiklang „Energiekrise, Inflation und Rezession“ begonnen. Hochschulrektor Erich Keller hatte ihn zunächst dem Publikum im Saal und an den Bildschirmen (die Veranstaltung fand im hybriden Format statt) vorgestellt.

In der Hochschule der Zentralbank ging Wieland natürlich zuerst auf die hohe Inflation im Euroraum ein, die im Oktober mit 10,6 Prozent taxiert ist. „Aber auch ohne Berücksichtigung der Energiepreise liegt sie immerhin bei 6,9 Prozent“, mahnte der Professor der Goethe-Universität in Frankfurt. Für ihn liegt hinter diesen Werten eine Entwicklung, die sich in drei Stufen vollzog: Nach den Hochphasen der Corona-Krise 2020 gab es einen Nachholbedarf im Konsumbereich, es folgten in der zweiten Stufe Lieferengpässe, die vor allem zur Teuerung von Vorprodukten führten, aber auch ein Engpass bei den Arbeitskräften. Die dritte Stufe war dann der Ausbruch des Ukraine-Kriegs im Februar 2022, der vor allem Energie- und Erzeugerpreise gewaltig verteuerte.

 „In allen drei Stufen dieser Entwicklung war die Euro-Geldpolitik akkommodierend“, bilanzierte Wieland. Anhand einer Chart-Grafik zeigte er, dass die Finanzmärkte bereits im Sommer 2021 nicht geglaubt hätten, dass die Inflation nur temporär sei – wie die die EZB damals noch angenommen hatte. Auch Wieland selbst ist der Überzeugung, dass die EZB wie viele andere Notenbanken weltweit früher die Zinswende hätte einläuten müssen: „Bereits Mitte 2021 hätte der EZB-Rat reagieren müssen, die starken Aufwärtsrisiken bei der Inflation waren sichtbar.“ Auch wenn jetzt Zinserhöhungen vollzogen worden seien, wies er darauf hin, dass der Realzins noch lange im negativen Bereich verharren werde.

Volle Gasspeicher kein Ruhekissen

Mit Blick auf die Energieversorgung in Deutschland warnte der Wirtschaftswissenschaftler, dass auch die Pipelines, die Gas von Norwegen nach Deutschland transportieren, sich als Sicherheitsrisiko entpuppen könnten: „Was geschieht denn, wenn es da, wie neulich in Dänemark geschehen, auch ein Leck gibt?“ Die aktuell zu 100 Prozent gefüllten Gasspeicher beruhigten ihn nicht unbedingt: „Das deckt nur knapp 30 Prozent des jährlichen Verbrauchs ab. Und vor allem im Winter verbrauchen wir Energie.“ Ihn sorgt es insbesondere, dass der Krieg andauern könne, aber kein Gas mehr aus Russland nach Deutschland komme. Das sei fatal für den Industriestandort Deutschland, in dem sich energieintensive große und mittelständische Unternehmen mit Abwanderungsgedanken tragen würden. 

Längere Laufzeiten

Wielands Schlussfolgerung war eindeutig: „Das Energieangebot muss verbessert werden.“ Der Weg dorthin über Flüssiggas sei begrenzt, Kohleverstromung hingegen möglich, aber äußerst klimaschädlich. Er brachte auch die Möglichkeit des Frackings von Schiefergas in Deutschland ins Spiel, was die Bundesanstalt für Geowissenschaften 2016 bereits angedacht hatte. „Leider findet diese Idee in der Bundesregierung keine Mehrheit. Umso merkwürdiger mutet es an, dass wir dann Fracking-Energie aus den USA importieren“, sagte Wieland. Neben dem unumstrittenen Ausbau erneuerbarer Energien machte sich Wieland – wie auch der Sachverständigenrat der Bundesregierung - für eine längere Laufzeit aller sechs noch in Deutschland existierenden Kernkraftwerke stark. Er empfahl, wie im Nachbarland Belgien, die Atommeiler noch zehn Jahre am Netz zu lassen.

In der folgenden, gut 45-minütigen offiziellen Diskussionsrunde fragte ein Student den Redner, ob er eine Lohnpreisspirale befürchte. „Wir sind schon mittendrin, wie die aktuellen Abschlüsse in der Metallbranche zeigen“, erwiderte Wieland. Er erwies darauf, dass die 20-prozentige Anhebung des Mindestlohns per Gesetz auch zu einer stärkeren Anhebung der Tariflöhne beitragen werde.

Fotos der Veranstaltung