Gerhard Hofmann (BVR) bei seinem virtuellen Vortrag in der Hochschule der Bundesbank in Hachenburg ©Christof Wolf

Vorstandsmitglied der Volks- und Raiffeisenbanken spricht über Nachhaltigkeit im Bankensektor

Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben. Laut Gerhard Hofmann gilt diese Aussage des früheren sowjetischen Staatschefs Gorbatschow auch für Banken, die den Wechsel zu einer nachhaltigen Wirtschaft nicht rechtzeitig auf dem Radar haben. Nachhaltigkeit sei ein „Megatrend“ - nicht nur in der Strategie 2024 der Bundesbank, sondern nach Hofmanns Ansicht auch für die ganze Finanzbranche: „Banken ohne Nachhaltigkeitsstrategie laufen Gefahr, obsolet zu werden.“ Der frühere Leiter des Zentralbereichs Banken und Finanzaufsicht in der Bundesbank, der heute Mitglied im Bundesvorstand des Volks- und Raiffeisenbanken (BVR) ist, verdeutlichte, dass auch die deutsche Politik den Übergang zur CO2-neutralen Lebens- und Wirtschaftsweise forcieren möchte und zitierte den Koalitionsvertrag, wonach „Deutschland zum führenden Standort nachhaltiger Finanzierung“ werden solle.

„Brüssel in der Pole Position“

In der EU sei man da schon einen Schritt weiter – zumindest was die Regulierung der Nachhaltigkeit angehe, wie Hofmann ausführte: „Hier ist Brüssel in der Pole Position. Zuvor gingen die Bankenregulierungen allesamt von Basel aus, bei der Nachhaltigkeit legt die EU-Kommission vor.“ Die Pläne der EU-Kommission zur Nachhaltigkeitsregulierung bis 2026 seien sehr ambitioniert – sie umfassten nicht nur die Taxonomie-Verordnung, in der Vorgaben für nachhaltige Investitionen definiert würden, sondern auch Geldanlagen, Kredite und die Unternehmensführung. „Das ist das volle Programm. De facto werden alle aufsichtsrechtlichen Risiken jetzt auf Nachhaltigkeitsrisiken ausgedehnt“, sagte Hofmann.

Am stärksten im Fokus der Öffentlichkeit sei natürlich die im Januar 2022 vorgestellte Taxonomie-Verordnung gewesen, die als Steuerungsinstrument der europäischen Umwelt- und Klimaschutzpolitik fungieren solle. Für Hofmann ist sie „eine Art Grundgesetz der Nachhaltigkeit“, die als Verordnung keinen nationalen Spielraum lässt. In die Frage, warum Atomkraft und Erdgas als nachhaltige Energieträger gelten, wollte Hofmann sich nicht einmischen: „Das ist eine rein politische Diskussion.“ Aber ihn interessiere es sehr wohl, wie dadurch der Wettbewerb zwischen den Banken in Europa beeinflusst werde. „Französische Banken sind stark in Atomkraftwerken engagiert, und das gilt als nachhaltig, bringt ihnen also Vorteile, während Atomkraft in Deutschland verpöhnt ist.“

Hofmann zeigte auch auf, dass die EU-Anforderungen den Banken viel abverlangen. Berater müssten geschult werden, 200 der 750 Genossenschaftsbanken in Deutschland ab 2024, also für das Geschäftsjahr 2023, eine Green Asset Ratio melden. Diese Kennziffer gibt an, wie hoch der Anteil grüner Finanzaktivitäten in Banken ist. „Die Ermittlung ist sehr komplex, erfordert viel IT-Aufwand für Universalbanken und muss bis Ende 2022 abgeschlossen sein, damit die Datenerhebung 2023 erfolgen kann“, sagte Hofmann.

„Gigantische Investitionen“

Aber er sehe die Nachhaltigkeit nicht als reine Regulierungslast, sondern auch als Chance in einem wachsenden Markt: „Um das Ziel der Reduzierung der Treibhausgase bis 2050 zu erreichen, sind gigantische Investitionen im Wert von 2,3 Billionen Euro erforderlich.“ Außerdem passe der Weg in die klimaneutrale Wirtschaft gut zum Förderauftrag, dem Kern der genossenschaftlichen Idee: „Es ist eine Gelegenheit für uns, neue Kunden zu gewinnen.“ Die genossenschaftliche Bankengruppe habe deswegen eine Nachhaltigkeitsstrategie für alle 750 Banken hierzulande entwickelt. Für Hofmann ist es ganz wichtig, dass die Banken rechtzeitig und entschlossen die Transformation der Wirtschaft und ihre Auswirkungen in ihren Planungen berücksichtigen, selbst wenn er sicher sei, dass der Weg ein langer sein wird: „Die Reise dorthin wird länger als eine Generation andauern.“

In der folgenden Diskussionsrunde, die Hochschulrektor Erich Keller moderierte, bemängelte eine Studentin, dass nachhaltige Anlageprodukte für Privatanleger kaum überschaubar seien – und fragte, ob hier eine Honorarberatung für Banken nicht sinnvoller sei. „Ich halte die provisionsgetriebene Beratung für besser, losgelöst vom Thema Nachhaltigkeit“, erwiderte Hofmann. „Und ich denke, die Marktdisziplin wird die Banken, die green washing betreiben, hart bestrafen. Da sollte man lieber vorsichtig sein.“ Andreas Igl, Hochschulprofessor in Hachenburg, fragte nach, wie Banken künftig zwischen neuen Geschäften und der Green Asset Ratio abwägen würden. „Für mich wirkt das beides zusammen, langfristig wird alles nachhaltig sein müssen“, entgegnete Hofmann.

„In den Köpfen verankern“

Eine andere Studentin kritisierte, dass nukleare Energie und Erdgas laut Taxonomie als nachhaltig definiert seien. Beschädige das nicht die ganze Idee? Hier antwortete Hofmann politisch: „Die EU ist eine Kompromissmaschine, manchmal schmerzhaft. Keine Atomkraft wäre K.o.-Kriterium für die ganze Taxonomie gewesen, weil Frankreich nicht zugestimmt hätte.“ Alexandra Hachmeister, die neue Leiterin des Zentralbereichs Ökonomische Bildung, ergänzte: „Der Rückgang der CO2-Emissionen war der Ausgangspunkt der Debatte. Entscheidend ist, ob Risiken angemessen bepreist sind. Das war schon die Kernfrage in der Finanzkrise.“ Sie stellte den Referenten eingangs vor und stellte selbst die letzte Frage des Abends: „Was ist für Sie der größte Hebel zu einer nachhaltigen Transformation der Wirtschaft?“ Und die Antwort von Hofmann ist schlicht und zugleich schlüssig: „Das sind wir letztlich alle als Nachfrager, wir haben den größten Hebel. Die Kultur der Nachhaltigkeit muss sich in den Köpfen verankern.“