Präsident Joachim Nagel beim Vortrag in Hachenburg ©Alexandra Lechner

Und plötzlich kommt der Präsident Überraschungsbesuch in Hachenburg

„Das ist doch …“ Als mitten während der Vorlesung im Teilmodul „Central Banking and the Conduct of Monetary Policy“ ein unangekündigter Gast das Auditorium betrat, trauten die rund 60 Studierenden des Aufbaustudiums an der Hochschule der Bundesbank in Hachenburg ihren Augen nicht. Kein Geringerer als Joachim Nagel war es, der da auf einmal mitten im Hörsaal stand und zielsicher Richtung Podium marschierte. 

Der Präsident hatte sich bei diesem Auftritt keineswegs in der Tür geirrt. Vielmehr hatte er die Gelegenheit wahrgenommen, einmal der Vorlesungsreihe seines Büroleiters Marco Leppin beizuwohnen, der in Hachenburg bereits seit einigen Jahren einen Lehrauftrag wahrnimmt. Für die Studierenden bedeutete dieser Überraschungsbesuch nicht nur eine unverhoffte Live-Begegnung mit dem Präsidenten. Sie bekamen in Joachim Nagel auch gleich noch einen Experten präsentiert, der wie kaum ein anderer in der Lage war, zum Thema der Vorlesung aus erster Hand etwas beizutragen. Schließlich war Leppin in seinem Vortrag gerade dabei zu erläutern, wie der EZB-Rat seine geldpolitischen Entscheidungen trifft. Und wer, wenn nicht ein Mitglied des EZB-Rates höchstselbst, könnte dazu kompetenter und authentischer Auskunft geben.

Nagel ließ es sich daher auch nicht nehmen, ausführlich über seine Erfahrungen als Mitglied des EZB-Rats zu berichten. Er sprach darüber, wie intensiv die Entscheidungen dieses Gremiums diskutiert würden, welche Vorbereitungen in solchen Entscheidungen steckten und welche Überlegungen die Mitglieder dieses obersten Beschlussorgans der EZB dabei leiteten. Auf diese Weise erhielten die Studierenden einen ebenso lebendigen wie exklusiven Einblick in das Thema ihrer Vorlesung. 

Der Präsident trat jedoch nicht nur als Dozent auf. Er wollte selbst auch einiges erfahren. So fragte er die Studierenden etwa, wie es ihnen auf Schloss Hachenburg gehe, wie sie mit ihrem Studium zurechtkämen und welche Erfahrungen sie bisher damit gewonnen hätten. Die Studierenden gaben Nagel ausführlich Auskunft und ermöglichten ihm so einen ungetrübten Blick auf den Studienalltag in Hachenburg. Klar, dass er im Anschluss auch noch für gemeinsame Fotos mit den Studierenden zur Verfügung stand. Das mache ich doch gern, sagte Nagel und ließ sich geduldig ablichten.

Eine ausgiebige Fotosession stand für Nagel auch beim zweiten Programmpunkt dieses Tages an, an dem er als Überraschungsgast teilnahm: der Urkundenübergabe an die Studentinnen und Studenten, die im Rahmen der International Week of Central Banking auf Schloss Hachenburg zu Gast waren. Seit mittlerweile 20 Jahren unterhält die Hochschule auf Initiative von Rektor Erich Keller Beziehungen zu verschiedenen Hochschulen im Ausland, an denen ebenso wie in Hachenburg der Zentralbanknachwuchs ausgebildet wird. Partner der ersten Stunde ist die Graduate School der People’s Bank of China (heute PBC School of Finance, Tsinghua University, Beijing), mit der vielen Jahren ein Kooperationsabkommen besteht, das unter anderem Lehrveranstaltungen von hauptamtlichen Lehrkräften in Peking vorsieht wie auch Besuche chinesischer Studierender in Hachenburg. Mittlerweile sind mit der Warsaw School of Economics (SGH) in Polen und der University of Economics in Bratislava, Slovakai, weitere renommierte, zentralbanknahe Hochschulen hinzugekommen. Darüber hinaus gab es in der Vergangenheit auch Kooperationen mit ukrainischen, russischen und belarussischen Universitäten, die aber aus verschiedenen Gründen ausgesetzt wurden. So mussten die ukrainischen Partneruniversitäten in Folge des russischen Angriffskriegs ihren Betrieb einstellen, zum Teil wurden auch ihre Gebäude zerstört. Und mit Russland gibt es seit der Annexion der Krim 2014 keine Zusammenarbeit mehr, mit Belarus wurde sie im vergangenen Jahr aufgrund der Unterstützung des russischen Angriffskrieges eingestellt. 

Der diesjährige Besuch ausländischer Studierender im Rahmen der International Week of Central Banking war der erste Präsenzbesuch nach drei Jahren Corona-Pause. Zwanzig Studentinnen und Studenten aus Peking sowie je zwölf aus Warschau und Bratislava waren, nebst Lehrkräften, für eine Woche im Westerwald zu Gast und nahmen in dieser Zeit an einer Reihe von Fachvorträgen zu Zentralbankthemen teil. Dass beim abschließenden Abendessen auch der Bundesbankpräsident dabei sein und sich unter die Gäste mischen würde, stand freilich nicht auf dem Programm. Entsprechend überrascht und freudig aufgeregt waren die Studierenden, sagt Keller. Besonders positiv hätten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer im Nachgang darüber gesprochen, wie freundlich, nahbar und unprätentiös der Präsident rübergekommen sei. Die waren total begeistert, berichtet Keller. Und das ist doch die beste Werbung für die Bundesbank.

In den kommenden Jahren soll die Kooperation mit ausländischen Hochschulen um weitere Partner in Korea und Kanada ergänzt werden.