Online-Vortragsveranstaltung ©Bundesbank

„Jede Krise ist auch eine Chance“

Anfang Juli sprach der Freiburger Wirtschaftswissenschaftler Lars Feld virtuell zu Studierenden der Hochschule der Bundesbank in Hachenburg. Ob zur Schuldenbremse, zur Klimapolitik oder fiskalischen Dominanz: Feld bezog stets klar Position.

Im Frühjahr sind Sie aus dem Sachverständigenrat ausgeschieden, was ich nach wie vor sehr bedauere", sagte Bundesbank-Vorstandsmitglied Burkhard Balz bei der Begrüßung von Lars Feld als Redner zu Gast bei der Hochschule der Bundesbank. Besonders imponiert habe ihm, dass man sich stets auf den ordnungspolitischen Kompass von Feld verlassen konnte, sagte Balz. „Immer wieder haben Sie vor Aktionismus und vor übermäßigen staatlichen Eingriffen in das Wirtschaftsleben gewarnt.“ Und auch Balz plädiert in seiner Einführung dafür, dass der Staat nach der Pandemie seinen Einfluss auf die Wirtschaft wieder zurücknehmen solle.

Votum für die Schuldenbremse

Lars Feld war von 2011 bis 2021 Mitglied im Sachverständigenrat der Bundesregierung und zuletzt deren Vorsitzender.  In seinem Vortrag wies der Finanzwissenschaftler zunächst darauf hin, dass die Konsolidierungsspielräume in Deutschland aktuell und künftig geringer seien als vor einem Jahrzehnt: „Die strukturelle Arbeitslosigkeit ist höher als vor zehn Jahren und auch die demografische Atempause endet ab Mitte dieses Jahrzehnts, wenn die Generation der Baby-Boomer in Rente gehen wird.“ Feld verteidigte auch das gelegentlich kritisierte Instrument der Schuldenbremse: „Sie bietet in Ausnahmesituationen Spielraum für eine höhere Verschuldung. Das öffentliche Defizit 2020 lag nicht viel über dem Wert, der mit der Schuldenbremse erlaubt gewesen wäre.“

Kompensation für CO2-Preisanstieg

Zuhörer der Online-Vortragsveranstaltung ©Arno Swillus
Neben der Finanzpolitik ging Feld auf Megatrends wie den Klimawandel ein. Hier sieht er einen höheren Kohlendioxid-Preis als unvermeidlich an, fordert aber Kompensationen ein: „Dazu zählen für mich die Abschaffung der EEG-Umlage und eine Senkung der Stromsteuer, gerade um niedrigere Einkommen zu entlasten. Umgekehrt müssen das Dienstwagenprivileg und auch die Entfernungspauschale auf den Prüfstand.“ Kritisch bewertete er die Entwicklung der internationalen Wirtschaftsbeziehungen: „Sie werden zunehmend durch die Außen- und Sicherheitspolitik dominiert.“ Beispielhaft nannte er hier China, das offen eine Expansion in Hongkong und Taiwan vorantreibe und mit dem Projekt der Seidenstraße sein wirtschaftspolitisches Gewicht ausbauen möchte.

In der folgenden Fragerunde, die Hochschulrektor Erich Keller moderierte, fragte ihn ein Student, ob Feld denn eine Pleitewelle nach dem Auslaufen der Pandemie-Hilfen erwarte. „Jede Krise bietet auch eine Chance zur Bereinigung von strukturellen Defiziten. Aktuell sehe ich hier keinen besorgniserregenden Zustand.“ Feld lobte die Pandemie-Maßnahmen der Bundesregierung in der ersten Jahreshälfte 2020: „Es ist ordnungspolitisch geboten, Einnahmeausfälle zu kompensieren, wenn die Gewerbefreiheit gesetzlich eingeschränkt wird.“ Gleichwohl halte er die Hilfen für die Gastronomie im Herbst 2020, als 75 Prozent der Vorjahresumsätze erstattet wurden, für etwas zu üppig.

Fragensteller bei der Online-Vortragsveranstaltung ©Arno Swillus
Ein anderer Student fragte ihn, ob die global vereinbarte Mindeststeuer von 15 Prozent sich als Vorteil für den Standort Deutschland entpuppen könne. Hier erwarte er keine großen Effekte, allenfalls ein leichtes Plus. Es werde sicher wieder Ausweicheffekte seitens der Unternehmen geben, die dann ihren Eigentumsstrukturen ändern werden, um die Steuer zu umgehen, sagte er.

Gefahr einer fiskalischen Dominanz

Abschließend wurde Feld um eine Einschätzung gebeten, ob er die Gefahr einer fiskalischen Dominanz im Euroraum für die Notenbank sehe, die eine gebotene Zinswende aufgrund der hohen Staatsschulden nur schwer möglich mache. Das bejahte der 54-Jährige: „Wenn das Zinsniveau rasch auf drei Prozent angehoben werden müsste, geraten nicht nur Italien und Portugal, sondern auch Frankreich und Spanien in große Not. Daher gibt es auch Druck auf Deutschland, bei der Schuldenbremse nachzulassen.“ Im Chat der virtuellen Veranstaltung häuften sich noch zahlreiche Fragen, als der Hochschulrektor um 20.30 Uhr die lebhafte Diskussion unter lautstarkem Applaus beendet.