Foto von Lars Fel ©Eucken-Institut

„Eine aktive Rolle in der Klimapolitik überlastet die Geldpolitik“ Interview mit Lars Feld

Am 5. Juli sprach der Freiburger Wirtschaftswissenschaftler Lars Feld zu Studierenden Hochschule der Bundesbank in Hachenburg. Im Anschluss äußerte sich der langjährige Vorsitzende des Sachverständigenrats der Bundesregierung im Interview über die Reaktivierung der Schuldenbremse, die Rentensituation in der Europäischen Union und ein Angebot aus Österreich.

Herr Professor Feld, die Schuldenbremse ist wegen der Pandemie aktuell ausgesetzt. Wann sollte diese Ihrer Meinung nach wieder reaktiviert werden?

Das ist schwer abschätzbar, weil wir erst im Laufe des Jahres sehen werden, wie viel von den Mitteln, die Finanzminister Scholz ins Schaufenster gestellt hat, wirklich abgerufen werden. Es hängt auch von der weiteren wirtschaftlichen Entwicklung im Jahr 2021 ab. Ich gehe davon aus, dass wir im Herbst eine vierte Welle sehen werden, hoffentlich aber einen abermaligen Lockdown vermeiden können, wenn die Impfungen wirken. Daher habe ich dafür Verständnis, dass die Regierung die Schuldenbremse 2022 noch nicht anwenden möchte. Aber ab 2023 sollte die Finanzpolitik sicher wieder zur Regelgrenze der Schuldenbremse zurückkehren. 

Viele Kommunen waren wegen der Pandemie stark belastet, auch schon vorher zum Teil stark verschuldet. Was halten Sie vom Vorschlag, dass der Bund teilweise die Altschulden dieser Kommunen übernimmt?

Ehrlich gesagt: gar nichts. Die Kommunen insgesamt haben in der Pandemie sogar als einzige staatliche Ebene Überschüsse erzielt, weil Bund und Länder die Gewerbesteuerausfälle übernommen haben. Außerdem hat ihnen der Bund nun eine dauerhafte strukturelle Verbesserung der Haushaltssituation ermöglicht, indem er 75 Prozent der Kosten der Unterkunft der Empfänger der Grundsicherung übernimmt; bisher waren es nur 50 Prozent. Davon profitieren insbesondere finanzschwache Städte und Gemeinden.

Generell werden mit solchen Schuldenübernahmen falsche Anreize gesetzt: Die Länder, die bereits etwas getan haben, oder deren Kommunen bisher solide gewirtschaftet haben, werden für ihre Mühen de facto bestraft.

Der EU-Wiederaufbaufonds verzerrt auch die nationalen Schuldenwerte, die Zahlungen werden ja zum Teil als Kredit, zum Teil als Zuschuss gewährt. Wie sollten diese Schulden berücksichtigt werden, ist das nicht ein Schattenhaushalt?

Das muss man natürlich in den nationalen Schulden berücksichtigen. Die Bundesbank hat hier vor geraumer Zeit einen Verteilungsschlüssel vorgeschlagen, den ich für sehr überzeugend halte.

Kann das Eurosystem vor dem Hintergrund der hohen Staatsverschuldung überhaupt die Zinsen wieder anheben oder die Ankäufe von Staatsanleihen in den Markt zurückschleusen, ohne dass dies einzelne Länder an den Rand der Insolvenz drückt?

Es hängt viel davon ab, wie die Länder, die stark von der Corona-Pandemie betroffen waren und auch zuvor schon unter strukturellen Probleme gelitten hatten, aus der Krise herauskommen. Wenn diese Länder mit viel Schwung aus der Krise kommen und sich Strukturreformen dazu gesellen, dann kann das auch funktionieren. In Italien wäre dies zum Beispiel eine Reform der Justiz.

Momentan werden ja noch Staatsanleihen aufgrund des Pandemie-Notfallprogramms gekauft; diese Ankäufe muss man zunächst stoppen, bevor man die Papiere wieder in den Markt zurückbringt. Zudem wäre es meines Erachtens sinnvoll, den negativen Einlagenzins nach der Krise anzuheben. Dieser Negativzins ist für Sparkassen und Genossenschaftsbanken in Deutschland besonders problematisch.

Das Eurosystem bettet in seine Strategie jetzt auch den Klimawandel ein. Was kann die Euro-Geldpolitik eigentlich in der Klimapolitik leisten - und was nicht?

Natürlich muss die EZB bei den Sicherheiten, die sie in ihr Portfolio übernimmt, und ihren Wertpapierankäufen Klimarisiken berücksichtigen, schon allein um nicht selbst solche Risiken in die eigenen Bücher zu nehmen. Das ist aber letztlich unumstritten.

Eine aktive Rolle in der Klimapolitik, die ja zum Teil auch gefordert wird, überlastet die Geldpolitik. Die Unabhängigkeit der Notenbank ist nur zu rechtfertigen, wenn ihr Mandat eng begrenzt ist, nämlich auf die Preisstabilität. Eine solche Kompetenzerweiterung wäre meines Erachtens ein Verstoß gegen das Demokratieprinzip.

In Deutschland hatte jüngst eine Expertenkommission die Rente mit 68 vorgeschlagen. Was halten Sie von einem höheren Renteneintrittsalter, wenn man auf der anderen Seite sieht, dass in anderen EU-Ländern, die fiskalisch schlechter dastehen, das Renteneintrittsalter jetzt schon niedriger ist?

In Deutschland werden wir nicht um eine weitere Erhöhung des Renteneintrittsalters ab dem Jahr 2031 herumkommen. Bei steigender Lebenserwartung ist dies mathematisch ganz einfach. Franz Müntefering machte dies ganz plastisch: Da reicht Grundschule Sauerland.

Die Rentensysteme in den Ländern der EU sind unterschiedlich konzipiert und nur bedingt vergleichbar. In Italien hat die Regierung aus Lega Nord und der Fünf-Sterne-Bewegung die Rentenreform Montis nur zum Teil zurückgenommen, auch dort hat es Einsparmaßnahmen gegeben. In Frankreich hat Präsident Macron eine notwendige Reform des Rentensystems versucht, ist aber letztlich am breiten Widerstand gescheitert. Letztlich hängen die Rentenreformen auch davon ab, wie hoch der Druck zur Konsolidierung der öffentlichen Haushalte ist.

Für mich ist das auch eine ordnungspolitische Frage. In der Sozialpolitik, zu der die Rentenpolitik gehört, sollte jedes Land seine eigene Regelung finden. Ich halte wenig von einer europäisch einheitlichen Regelung.

Abschließende noch eine persönliche Frage: Sie wurde wurden jüngst ausgewählt, um das führende österreichische Wirtschaftsforschungsinstitut IHS (Institut für Höhere Studien) zu leiten. Werden Sie diese Aufgabe übernehmen?

Es stimmt, ich wurde hier vom Kuratorium ausgewählt. Ob ich wechseln werde, habe ich noch nicht entschieden. Es ist natürlich ein verlockendes, attraktives Angebot; denn das IHS ist ein renommiertes Institut. Ich überlege das in aller Ruhe.

Im Breisgau ist es ja auch ganz schön, oder.

Stimmt, andererseits wäre das ja auch nur ein Wechsel von Vorderösterreich nach Wien.