"Wir müssen das Haftungsprinzip stärken" Interview mit Professor Hans-Werner Sinn

Herr Professor Sinn, wo sehen Sie derzeit die größte Gefahr für die Weltwirtschaft?

Die sehe ich vor allem durch die Wirtschaftspolitik der aufziehen. Die Steuerreform von -Präsident Donald Trump wird die Nachfrage in den Vereinigten Staaten weiter anheizen und das Leistungsbilanzdefizit weiter erhöhen, weil die mehr Importe und mehr Kapital verlangen. Die Heizerei wird zu steigenden Zinsen und damit auch zu einer Aufwertung des -Dollar führen. Der Ansatz von Präsident Trump erinnert mich stark an die Wirtschaftspolitik von Präsident Ronald Reagan zu Beginn der 1980er-Jahre, die das auch tat. Eine zweite Gefahr sehe ich durch den Brexit, wenn es nicht zu einer Zollunion mit dem Vereinigten Königreich kommt. Darunter wird nicht zuletzt die exportlastige deutsche Volkswirtschaft leiden.

Steigt damit auch für Deutschland das Risiko einer Rezession?

Soweit würde ich nicht gehen. Die deutsche Wirtschaft ist sehr wettbewerbsfähig, ihre Produkte sind auch durch den Verbund im Euroraum unterbewertet.

Aktuell wird in den Medien etwas weniger über die Krise im Euroraum berichtet. Ist Ihrer Ansicht nach dieses Thema bald ausgestanden?

Ich erlebe keine Ruhe, sondern nehme vielmehr eine steigende Nervosität wahr. Dies liegt vor allem an den vielen faulen Krediten, also Darlehen, die nicht mehr bedient werden können. Hier kann man auch einen historischen Vergleich zur Japan-Krise in den 1990er-Jahren ziehen: Dort platzte die Immobilienpreisblase 1990. Aber erst 1997 führte dies zu erheblichen Ausfällen bei den Krediten. 40% der japanischen Banken mussten verkauft oder verstaatlich werden. Nach der Krise können die Banken das Wasser für eine Weile halten, sprich faule Kredite verkraften, aber irgendwann schaffen sie es nicht mehr. Das bedeutet: Wenn die Kredite fällig werden und dann nicht getilgt werden, lässt sich die Illusion, die Banken hätten valide Forderungen beim besten Wissen nicht mehr aufrecht erhalten. Ich befürchte, dass wir in Europa diesem Zeitpunkt nahe sind. Deswegen die immer drängender werdenden Forderungen nach einer Bankenunion.

Worauf führen Sie diesen langen Time-Lag zwischen Immobilienpreisblase und Kreditausfällen zurück?

Durch die Aktivitäten der Notenbanken wurden und werden die Kredite künstlich am Leben gehalten. Aber das Problem wird so nicht gelöst, die Lösung wird vielmehr verschoben.

Würden Sie vor diesem Hintergrund mit der Einführung einer gemeinsamen Einlagensicherung im Euroraum warten, bis die Altlasten „abgearbeitet“ sind?

Ich würde die gemeinsame Einlagensicherung überhaupt nicht einführen. Damit werden doch völlig falsche Anreize gesetzt. Selbst die marodesten Banken schaffen es dann, Einlagen anzuziehen, um damit herumzuzocken. Wenn man für sein Handeln nicht haften muss, wird ein elementares Grundprinzip der Marktwirtschaft außer Kraft gesetzt.  

Wie könnte Ihrer Ansicht nach eine nachhaltige Reform der Währungsunion aussehen?

Wir müssen das Haftungsprinzip stärken und den Reset-Knopf drücken, um die Überschuldung ein Stück weit abzubauen. Ich würde den Ländern, die ihre Schulden nicht mehr selbst bedienen können, einen partiellen Schuldenerlass anbieten, der mit einem Austritt aus der Währungsunion verbunden ist. Was sich jetzt wie das Ende des Euro anhört, ist letztlich genau das Gegenteil, nämlich seine Gesundung. Die austretenden Volkswirtschaften können sich nach einer Abwertung wieder selbstständig entwickeln, Leistungsbilanzüberschüsse erwirtschaften und damit den Rest der Schulden auch noch abzubauen. Die im Euro verbleibenden Volkswirtschaften sind einen Klotz am Bein los.

Und zum Schluss: Wie hat es Ihnen bei der Bundesbank in Hachenburg gefallen?

Ich war schon häufig bei der Bundesbank, aber die Hochschule habe ich heute zum ersten Mal besucht. Mir hat die Umgebung hier gut gefallen, aber insbesondere die rege Diskussion mit den Studenten und Professoren nach meinem Vortrag heute hat mich erfreut.

Das Interview führte Matthias Endres.